
Hermann Drummer entwirft in seinem Essay ein beklemmendes Bild unserer Stadt: Traumatisiert durch zwanzig Jahre autokratischen Regierungsstils des letzten christsozialen Oberbürgermeisters, seien politische Kultur und bürgerschaftliches Engagement erstarrt und ausgedörrt. Doch statt Aufbruchsignale auszusenden, verharre die neue sozialdemokratisch geprägte Stadtspitze in einer kleinen Welt des „Durchwurstelns und der Konzeptlosigkeit“. Ein trauriger Zustand, sagt Drummer, „als würde Lieschen Müller das kulturelle Geschehen in der Stadt dominieren“.
„Im modernen Industriestaat sind Politik und Unkultur untrennbar verknüpft. Kultur hingegen verbindet sich untrennbar mit Fremdenverkehr.“
Dem müsste ich nur noch hinzufügen: In der kleinen Stadt verbindet sich Kultur untrennbar mit Volksfesten. Aber das konnte Nenning aus der großen Stadt nicht wissen. Aber das war auch in der kleinen Stadt nicht immer so. Einst wurde auch die Fahne der Kultur in Weißenburg hochgehalten.
Mein Engagement war willkommen
Reichlich unerfahren, dafür aber mit einem starken politischen Willen versehen, mischte ich mich Anfang der 70er in die kommunalen Abläufe meiner kleinen Stadt ein. Und trotz reichlich vorhandener ‚Chuzpe’ erklärten die meisten mein Engagement als willkommen.
- Zur Person

Politisches Engagement wurde in diesen Zeiten als Teil der politischen Kultur gesehen und war so auch erwünscht. Damals hatte man auch ein Auge auf den Auftritt der Stadt und fing an, die weniger ansehnlichen Teile zu sanieren. Heute akzeptiert man den Leerstand mit den Worten: ‚So viel ist das gar nicht!“
Günter Zwanzig – Retter der Karmeliterkirche
Auch damals war ich nicht auf einer Wellenlänge mit dem Stadtparlament – auch nicht mit dem damaligen Oberbürgermeister Dr. Günter Zwanzig. Aber wir trafen uns regelmäßig und sprachen miteinander. Vieles fand ich damals falsch oder verstand es nicht richtig, aber heute würde ich ihm eine Ehrentafel spendieren wollen, mit der Aufschrift: Dem Retter der Karmeliterkirche.
Das kontroverse Gespräch war weichgespült. Selbst im Wahlkampf gab es keine kontroversen Themen…
Irgendwann kehrte ich meiner Heimatstadt den Rücken. Nicht im Zorn. Ich wollte nur mehr und anderes sehen. Als ich nach über 30 Jahren zurück kam, hatte sich etwas verändert: Das kontroverse Gespräch war weichgespült. Selbst im Wahlkampf um den schönen Posten eines Oberbürgermeisters gab es keine kontroversen Themen. Jedenfalls sah ich keine. Wohin ich mich auch wende, gibt es kein ernsthaftes Interesse mehr an bürgerschaftlichem Engagement oder gar eine positive, kulturelle Grundstimmung. Alles Kulturelle ist von einem merkwürdigen Ansatz des Durchwurstelns und der Konzeptlosigkeit gekennzeichnet. Es war, als würde Lieschen Müller das kulturelle Geschehen dominieren.
Engagement ist nur dann erwünscht, wenn es sich in geordneten und vorhersehbaren Bahnen bewegt….
Es ist nicht so, dass bürgerschaftliches Engagement generell abgelehnt wird. Das wäre ja schon wieder ein kontroverses Element, das die ach so große Harmonie stören könnte. Aber anders als in den 70ern ist das Engagement nur dann erwünscht, wenn es sich in geordneten und vorhersehbaren Bahnen bewegt. Vorzugsweise in Vereinen und Parteien. Was ist geschehen? Warum hat sich der Wind gedreht? Warum herrscht das Zaudern dort, wo sich politische Kultur entwickeln müsste?
Weil der Oberbürgermeister „ein Mediokrat ist“, raunt man mir zu. Ich will das nicht glauben! Muss ich das glauben?
Manche raunen mir als Erklärung zu: dass die Stadt über 20 Jahre lang von einem Stadtoberhaupt beherrscht wurde, das keinen Widerspruch duldete. Es wird vielfach kolportiert, dass er Andersmeinende zusammen geschrien hätte. Ich muss das glauben, aber eigentlich will ich so was nicht glauben. Jetzt regiert in der Stadt ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister. Aber wenn es so sein sollte, dass die politische Kultur und Kommunikation unter einem autokratischen Stil ausgedörrt ist, dann frage ich mich schon: warum wird das ausgetrocknete Pflänzchen unter der jetzigen sozialdemokratischen Führung nicht wieder kräftig gegossen? „Weil der Oberbürgermeister „ein Mediokrat ist“, raunt man mir zu. Ich will das nicht glauben! Muss ich das glauben?
Da wurde eine Initiative gegründet, die sich dem Bergwaldtheater verschrieben hat. Das Häuflein holte den Bürgermeister aus Wunsiedel und den Intendanten vom Fürther Theater und den IHK-Präsidenten Mittelfranken Dirk von Vopelius aus Nürnberg in die kleine Stadt. Und alle betonten unisono (lassen Sie es mich frei formulieren): Ihr müsst mehr aus dem Bergwaldtheater machen. Und: es ist auch ein wichtiger Standortfaktor! Aber es war alles in den Wind gesprochen. Der groß verkündete Agendaprozess zum Bergwaldtheater war nur ein einmaliges Strohfeuer. Von Prozess ist weit und breit nichts zu verspüren. Der zweite Verhandlungstag steht noch aus! Prozess meint in der kleinen Stadt etwas sehr Punktuelles.
Da hat man einen Rohdiamanten in der Hand – das Bergwaldtheater – und sagt: „Bitte nicht schleifen, damit würde er noch wertvoller werden!“ Ein geschliffener Diamant passt nicht zur Volksfestkultur der Stadt.
Und nun noch das: Die Forderungen werden vom Oberhaupt der Stadt so gar nicht geschätzt. „Bitte kein neues Fass aufmachen!“, erklärte er kürzlich. Ja, was heißt das jetzt schon wieder? Da hat man einen Rohdiamanten in der Hand – das Bergwaldtheater – und sagt: „Bitte nicht schleifen, damit würde er noch wertvoller werden!“ Will man nicht! Ein geschliffener Diamant passt nicht zur Volksfestkultur der Stadt. Oder geschliffener formuliert: Wir können doch nicht von heute auf morgen zu einer Festspielstadt werden, lamentierte der OB in seiner Neujahresansprache. Aber immerhin richtig erkannt: Das geht auch nicht! Aber das forderte auch niemand. Auch ich bin der Meinung: Gut Ding will Weile haben. Aber ein Projekt beginnt halt mit dem ersten Schritt. Und der erste Schritt hat sehr viel mit dem ‚Wollen’ zu tun.
Dann fragen wir die Menschen in Husum und in Neubrandenburg und in Saarbrücken ob sie die bundesweit bekannte Römerstadt Weißenburg kennen…
Stattdessen möchte der OB ein Profil als Römerstadt entwickeln. Schön, aber das geht doch auch nicht von heute auf morgen. Hier können wir schon seit einigen Jahren einen Krebsgang beobachten – aber keine nach vorne oder gar hin zur Spitze. Bisher hat niemand die harte Konkurrenz der Römerstädte gezählt. Bis Xanten hinauf gibt es Dutzende von Römerstädten und –stätten. Aber wahrscheinlich hat das hier noch nicht die Runde gemacht. Wie sonst könnte es sein, dass man plötzlich sportlich ist und das römische Alleinstellungsmerkmal gerade hier in Weißenburg finden will. Aber wir können sicher 2016 den Erfolg testen. Dann fragen wir die Menschen in Husum und in Neubrandenburg und in Saarbrücken, ob sie die bundesweit bekannte Römerstadt Weißenburg kennen.
Es ist halt wie bei Lieschen Müller. Es ist gut oder nicht gut. Von einer sozialdemokratischen Politik könnte man sich ein bisschen mehr Fundament und Struktur erwarten…
Noch gilt die Unschuldsvermutung auch für den Oberbürgermeister der Stadt. Ich vermute, er kann es nicht besser wissen, da noch kein Konzept der kulturellen Entwicklung der kleinen Stadt erarbeitet wurde. Daher kann man auch niemanden konzeptionell angreifen, weil nur höchst beliebige Geschmacksfragen auf den Tisch kommen. Es ist halt wie bei Lieschen Müller. Es ist gut oder nicht gut. Es ist schön oder nicht schön. Aber von der Politik und gar von einer sozialdemokratischen Politik könnte man sich ein bisschen mehr Fundament und Struktur erwarten. Stattdessen wird uns im Bergwaldtheater ein ‚Brüller’ nach dem anderen erwarten. ‚Brüller’ – das ist das Schlüsselwort für die städtische Konzeption des Bergwaldtheaters. Schön, damit kann man vielleicht in den sieben guten Jahren die Kassen füllen. Aber was passiert, wenn mal die sieben schlechten Jahre kommen?
Willy Brandt forderte geradezu auf, sich einzumischen und mitzumachen. Das war politische Kultur, die ich meine.
Willy Brandt ist für alle Sozialdemokraten noch immer die Messlatte – so hoffe ich doch. Mit ihm konnte ich mir ein Stück politische Kultur erobern und neue Ufer – über den Horizont hinaus – entdecken. Er forderte geradezu auf, sich einzumischen und mitzumachen. Das war politische Kultur, die ich meine.
Seinen Abschied als Parteivorsitzender durfte ich miterleben und auch den damit verbundenen Aufrüttler:
„Nicht in bürokratischen Wucherungen und in der Machtvollkommenheit von Apparaten kann die Zukunft liegen, sondern sie muss liegen in der Mitentscheidung der Arbeitenden, der Verbraucher, zumal der Gemeindebürger.“
Davon sind wir momentan Lichtjahre entfernt!
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Veranstaltungskalender
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